Über uns
Unser Leitbild
Solidarität und Nächstenliebe sind die Wurzeln unserer Arbeit.
Unsere Einbindung in die Kirche basiert auf dem elementaren Verständnis „Kirche für andere“ zu sein. Deshalb sind wir für alle offen. Nicht Glaube, Herkunft, Geschlecht oder andere Merkmale entscheiden darüber, wer die Werkstattkirche in Anspruch nehmen kann, sondern der Bedarf an Unterstützung.
Das Leitbild kennzeichnet Werte, Ziele, Aufgabenverständnis und Methoden der Arbeit und bietet somit eine Orientierungsgrundlage. Es ermöglicht uns, unsere Tätigkeit zu reflektieren, sie kritisch zu prüfen und daraus notwendige Konsequenzen zu ziehen.
Unsere Haltung – unser Menschenbild
Jeder Mensch ist mit einer unveräußerlichen Würde ausgestattet. Die biblische Tradition erzählt, dass Gott den Menschen zu seinem Bild erschaffen und ihm damit die höchste Würde verliehen hat. Sinn und Aufgabe der Menschen ist es, füreinander da zu sein und einander zu einem glücklichen Leben zu verhelfen.
Deshalb gehen wir davon aus, dass jeder Mensch ohne Ausnahme individuelle Gaben erhalten hat, die dem Gemeinwesen zugutekommen können. Es kommt uns darauf an, die unterschiedlichen Ressourcen zu entdecken, zu fördern und zu integrieren, weil wir der Überzeugung sind, dass jeder Mensch als solcher wertvoll ist und das Recht auf ein glückliches Leben hat. Dieses Prinzip wollen wir erfahrbar machen.
So wie es von Jesus berichtet wird, legen wir in unserer Arbeit Menschen nicht auf ihre Vergangenheit fest, sondern arbeiten mit ihnen gemeinsam daran, Chancen für eine neue Zukunft zu eröffnen. Vielfalt in Bezug auf Alter, Herkunft, Religion und Geschlecht betrachten wir als Bereicherung und als Herausforderung auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft, zu deren Entwicklung wir mit unserer durch die christliche Ethik geprägten Arbeit einen Beitrag leisten wollen. Auf diesem Weg brauchen wir Menschen uns gegenseitig.
Gelebte Demokratie
„Jeder darf kommen und jeder ist gleich wert“
Was hat die Werkstattkirche mit Demokratie zu tun?
Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Frage. Die Werkstattkirche ist ja keine politische Einrichtung. Im Oktober 2019 stellten wir den Menschen an unserem wöchentlichen Mittagstisch genau diese Frage.
Es geht in der Werkstattkirche um Menschlichkeit und dabei auch um das Zusammenleben von Menschen.
Demokratie als Organisationsform für das Zusammenleben von Menschen ist nicht einfach ein formales System, eine formale Struktur von Gesetzen und Bestimmungen.
Demokratie muss gelebt werden, Demokratie muss im Leben der Menschen verankert sein. Demokratie braucht Grundlagen, die nicht durch Gesetze und Verordnungen herzustellen sind:
Niemanden ausschließen, niemanden draußen lassen
Das am häufigsten genannte und drückendste Problem von Menschen in der Nordstadt ist die Einsamkeit, das Gefühl allein gelassen zu sein.
Eine Frau, die schon lange in der Nordstadt wohnt, beschreibt das für sich und andere so:
„In meiner Wohnung ist kein Leben, dann gibt es schwarze Löcher… Wir sind empfindliche Menschen, die im Leben mehr einstecken mussten, als sie Taschen haben, oft ein langes Tränental. Wir brauchen viel Zeit, Geduld, Ausdauer und Zuverlässigkeit.
In unserem Stadtteil leben viele Bewohner, die durch Behörden, Institutionen, Politik das Gefühl bekommen haben „überflüssig“ zu sein, Vertrauen ging verloren, sie haben sich aus Gemeinschaften zurückgezogen.“
Vertrauen und Wertschätzung zu mir selbst und zu anderen
Vertrauen eine ganz wichtige, eigentlich die Grundlage unserer Arbeit, aber auch demokratischen Lebens.
„Vertrauen ging verloren“, schreibt die Bewohnerin.
Wir fragen niemanden, was er oder sie vorher so alles gemacht hat, was schief gelaufen ist oder auch verbockt wurde. Das erzählen sie vielleicht später – oder auch nicht. Wir versuchen einfach offen, vorurteilsfrei – menschlich empathisch zu sein.
„Hier bekommt jeder Vertrauen und Wertschätzung, und sei es nur ein Lächeln, ein Nicken, ein Grinsen, hier ist eine so unterschiedliche Mischung und jeder wird ernst genommen…“
„Die…Menschen bekommen in der Werkstattkirche und ihrem Netzwerk etwas, was sie lange nicht mehr hatten: Anerkennung, Wertschätzung, Sorge, Essen, Interesse, Zuwendung, Achtung, Hausbesuche, ein Bett im Hospiz, eine Trauerbegleitung, Kleidung oder Hauswäsche oder Dinge die gespendet wurden uvm.“
Freiheit zur eigenen Entscheidung
„Hier gibt es keine Schwelle zu überwinden. Du reichst mir die Hand und ich kann entscheiden, ob ich sie nehme“
Ganz wichtig, ich werde nicht vereinnahmt, entscheide selbst, bleibe Herr des Geschehens. Denn nachdem eine Vertrauensgrundlage besteht, kann es weitergehen. Jetzt kann mir etwas zugetraut werden, jetzt kann ich selbst einen kleinen oder größeren Part im Netzwerk übernehmen. Aber ich entscheide, zu was und wann ich mich traue.
Teilhabe / Mitmachen
Vertrauen wächst – dann wird mir etwas zugetraut – und dann entscheide ich, ob ich mich auch traue, ob ich mir das zutraue.
Und so – schreibt die Frau mit der so ausdrucksstarken Sprache, die als erste zitiert wurde (s.o.) – „…sind wir… im Norstadtnetz der Werkstattkirche zu Mitmachbewohnern geworden“.
Was für eine wunderbare Wortschöpfung, die so einfach und verständlich beschreibt, worum es geht: Ja, Mitmachbewohnerinnen und -bewohner – das ist Wunsch und Ziel unserer Arbeit. Etwas allgemeiner sprechen wir seitdem von „Mitmach-Menschen“.
„Die Werkstattkirche holt Menschen aus der Einsamkeit. Hier wird etwas getan ohne Gegenleistung zu erwarten.
Hier hat keiner Angst. Im Nordstadt-Netz der Werkstattkirche bin ich sozialer geworden. Wo man mich braucht, fasse ich mit an.“
Recht auf Chancengerechtigkeit
Chancengerechtigkeit und der Erwerb von Kompetenzen zur demokratischen Teilhabe
Vor einiger Zeit haben wir den mühsamen Versuch unternommen, einem über 65 Jahre alten Mann in einem Gerichtsverfahren zu seinem Recht zu verhelfen. Wir fanden einen Anwalt, der ihn kostenlos vertrat. Das war besonders schwierig, weil der Mann Analphabet und auch in seinen geistigen Fähigkeiten sehr eingeschränkt ist. Wir scheiterten, weil der Mann nicht in der Lage war, vor Gericht darzustellen, wie er ausgenutzt und betrogen worden war.
Diese Erfahrung war der Anstoß für unser Projekt „Mobile Kinderbücherei“. Mit einem Bollerwagen voll guter Kinderbücher fahren wir in den Stadtteil und verteilen die Bücher an Kinder in prekären Lebensverhältnissen. Vielleicht gelingt es uns, die Freude von Kindern an Büchern zu wecken.
Kreativität und Humor
Lachen, Spaß haben und auch verrückte Ideen spinnen
… sind zwar keine essentiellen Bestandteile von Demokratie. Für die Werkstattkirche spielen sie aber immer eine große Rolle.
In den meisten anderen Kirchen wird ja immer noch viel zu wenig gelacht. In der Werkstattkirche umso mehr. So wird Gemeinschaft auch emotional erlebt und gelebt und manche Anekdote ist schon in die Annalen der Werkstattkirche eingegangen.